Kuba ist ein politischer Sonderfall, und das gilt auch für sein Bildungssystem und die damit befasste Bildungsforschung – wie unsere Kollegin Dr. Hanna Dumont zu berichten weiß. Während internationale Organisationen die Bemühungen im Bildungsbereich anderer Länder mittels Studien wie PISA und TIMSS kontinuierlich evaluieren und vergleichen, bringt Kubas Bildungssystem in aller Stille erstaunliche Erfolge hervor – aber auch Ungleichheit in einem eigentlich auf Gleichheit ausgerichteten System.

Hanna Dumont hat im Januar einen kurzen, persönlichen Einblick gewährt bekommen: Auf Einladung des UNICEF-Regionalbüros Lateinamerika mit Sitz in Panama hat die Wissenschaftlerin auf der Pedagogia 2015 einen Vortrag gehalten: „Looking into the black box of learning: Insights from the Learning Sciences“. Der Kontakt ist über einen ehemaligen Kollegen zustande gekommen, mit dem Dumont bei der OECD zusammengearbeitet hat.

Die Pedagogia dient für ganz Lateinamerika dem Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern aus Bildungspolitik, -forschung und -praxis. Rund 2.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer treffen sich alle zwei Jahre in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Der Austragungsort der Tagung ist kein Zufall: „Kuba hat eines der besten Bildungssysteme in Lateinamerika. Die Bedeutung von Bildung hat natürlich auch mit der sozialistischen Ideologie zu tun“, berichtet Dumont. Doch die Ideologie sei nur zum Teil maßgeblich: Auch vor der kubanischen Revolution sei das Land in puncto Bildung in der Region vergleichsweise weit entwickelt gewesen. Über Kuba wisse man heute beispielsweise, dass die Analphabetenrate praktisch gegen null tendiere – unübertroffen in Lateinamerika und ein besserer Wert als in den Vereinigten Staaten von Amerika. „Man merkt auch im Land selbst, dass Bildung einen hohen Stellenwert hat und dass versucht wird, mit wenig Mitteln viel zu erreichen.“ Die kubanische Improvisationskunst ist bekannt – und ruft doch in dem ein oder anderen Kontext Erstaunen hervor. Dumont: „Anders als auf allen anderen Konferenzen, auf denen ich bisher war, wurde auf der Pedagogia alles Mögliche verkauft. Nicht nur Bücher und Unterrichtsmaterialien, sondern zum Beispiel auch Bekleidung.“

Trotz internationaler Tagungen wie der Pedagogia sei es aber fast unmöglich, auf Kuba Schulforschung zu betreiben: „Das System ist relativ abgekapselt“, so Dumont. Die Einblicke in den Schulalltag, die man den Bildungsforschenden gewährt hat, fanden ausschließlich in Begleitung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des zuständigen Ministeriums statt.
Und nicht alle profitieren von dem hohen ideellen Stellenwert der Bildung auf der Karibikinsel. Das liegt unter anderem daran, dass sich auch einer der letzten sozialistischen Staaten nicht komplett abkapseln kann. Kuba ist auf Devisen angewiesen. Lehrende werden auf Kuba in der kubanischen Währung, dem kubanischen Peso, bezahlt und verdienen umgerechnet 20 bis 30 Dollar im Monat. Einfache Angestellte in der Tourismusbranche können den gleichen Betrag an einem Tag erwirtschaften, da sie in US-Dollar bezahlt werden. Das hat auch Hanna Dumont erlebt: „Zu den einzelnen Veranstaltungen sind wir mit dem Taxi gefahren. Der eine Taxifahrer war promoviert. Der andere eigentlich ein Lehrer.“
Hanna Dumont ist Habilitandin in unserer Abteilung Struktur und Steuerung des Bildungswesens. Ihre Forschungsschwerpunkte sind elterliches Engagement und elterliche Hausaufgabenhilfe, Leistungsgruppierung und Kompositionseffekte, der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I und die Individualisierung im Unterricht.