Schon lange ist bekannt, dass in Deutschland der soziale Hintergrund einen starken Einfluss auf den Bildungserfolg hat. Schülerinnen und Schüler aus bessergestellten Elternhäusern besuchen zum Beispiel eher das Gymnasium. Aber reicht der lange Arm der sozialen Herkunft auch bis zum Beginn einer Doktorarbeit? Das wollten wir von DIPF-Forscherin Anna Bachsleitner wissen. Sie berichtet von einer Studie, die sich mit dieser Frage befasst hat, und erzählt von ihren eigenen Erfahrungen als Doktorandin.
Frau Bachsleitner, haben sozial Privilegierte auch beim Beginn einer Promotion die Nase vorne?
In der Tat: Unsere Studie zeigt, dass Studierende, die aus einem akademischen Elternhaus stammen, häufiger eine Promotion aufnehmen als Studierende ohne akademische Elternteile. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt, wenn die Eltern selbst promoviert haben.
Können Sie diese Unterschiede erklären?
Verschiedene Merkmale, die relevante Einflussfaktoren für die Aufnahme einer Promotion sind, variieren je nach sozialer Herkunft. Dazu zählt beispielsweise, dass sich bereits in der Schule und im Studium Leistungsunterschiede zeigen, die sich auch in unterschiedlichen Abschlussnoten ausdrücken. Ebenso relevant ist, dass unterschiedliche Studienfächer und Hochschulformen gewählt werden. Mit letzterem ist gemeint, ob man an einer Universität oder eben an einer Fachhochschule studiert, wo man ja bekanntermaßen nicht promoviert werden kann. Es kristallisieren sich also durch die Herkunft bedingte Unterschiede heraus, die sich darauf auswirken, ob die späteren Hochschulabsolventinnen und -absolventen den Schritt zur Doktorarbeit gehen.
Wie haben Sie das herausgefunden?
Die Grundlage für unsere Auswertung bildete die langfristig angelegte Studie BIJU, was für Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter steht. Sie wird seit 1991 in vier Bundesländern durchgeführt. Für die BIJU-Studie wurde damals eine große Stichprobe von Schülerinnen und Schülern ausgewählt, mit denen seitdem immer wieder Erhebungen und Untersuchungen durchführt wurden und die so bis ins Erwachsenenalter begleitet werden.
Anhand der auf diesem Weg erhobenen Daten haben wir den Einfluss der sozialen Herkunft auf den Promotionsübergang und die Relevanz der Erklärungsfaktoren ermittelt. Dazu haben wir uns verschiedener statistischer Verfahren bedient, genauer gesagt einer logistischen Regression und Effektzerlegung.
„Unsere Befunde weisen darauf hin, dass die Weichen für die sozial ungleiche Aufnahme einer Promotion zu einem nicht unerheblichen Teil bereits mit der Selektion zu Studienbeginn gestellt werden.“
Was für Schlüsse lassen sich aus den Befunden ziehen?
Unsere Befunde weisen darauf hin, dass die Weichen für die sozial ungleiche Aufnahme einer Promotion zu einem nicht unerheblichen Teil bereits mit der Selektion zu Studienbeginn gestellt werden. Die aktuellen Tendenzen, Studierenden auch an Fachhochschulen den Zugang zur Promotion zu ermöglichen, könnten daher dabei helfen, die Abhängigkeit vom gewählten Pfad abzuschwächen. Im Vordergrund sollte stehen, dass Studierende die erforderlichen Kompetenzen für eine Promotion mitbringen – und weniger, an was für einer Hochschulform sie studiert haben.
Sie waren ja selbst Doktorandin und stehen nun kurz vor Ihrem Abschluss: Hatten Sie im Rückblick das Gefühl, dass Ihr sozialer Hintergrund bei der Entscheidung für die Promotion eine Rolle gespielt hat?
Der Fakt, dass meine Eltern beide studiert haben, war dafür bestimmt nicht ausschlaggebend. Dennoch konnten sie mich natürlich besser unterstützen, weil sie sich in der Hochschulwelt auskennen. Auch das akademische Milieu war mir dadurch vertrauter. Beide Faktoren haben sich sicherlich positiv darauf ausgewirkt, zu studieren und anschließend eine Promotion in Betracht zu ziehen.
Die Ergebnisse der Studie erläutert Anna Bachsleitner gemeinsam mit mehreren Kollegen des DIPF detailliert in einem Fachartikel:
Bachsleitner, A., Becker, M., Neumann, M., & Maaz, K. (2018). Social background effects in the transition to a doctoral degree – empirical evidence from a German prospective study. Research in Social Stratification and Mobility, 57, 24-34.
Anna Bachsleitner ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „Struktur und Steuerung des Bildungswesens“. Demnächst verteidigt sie ihre Doktorarbeit. Die studierte Soziologin und empirische Sozialforscherin befasst sich am DIPF in verschiedenen Studien und wissenschaftlichen Evaluationen mit akademischen Lebensläufen und wissenschaftlichen Karrieren sowie mit der Frage, wie Bildungsungleichheiten und soziale Herkunft zusammenhängen.
Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Philip Stirm für DIPF.