Gute drei Wochen hat der Umzug der Frankfurter Forschungsbibliothek (FFB) aus dem bisherigen DIPF-Gebäude in Frankfurt-Bockenheim in den Neubau auf dem Campus Westend gedauert. Auch wenn immer noch fleißig optimiert wird, sind die Bücher nun in ihrem neuen Zuhause – einem Herzstück des neuen DIPF-Gebäudes – angekommen. Doch was steckt eigentlich dahinter, wenn eine ganze Bibliothek ihren Standort wechselt? Wir waren von Anfang an dabei.
Der Umzug ins neue DIPF-Gebäude scheint noch weit weg, als in Bockenheim die letzten Sommertage anbrechen. Für die meisten Beschäftigten des Leibniz-Instituts, das seit Anfang der 50er Jahre hier im Gebäude an der Schloßstraße zu Hause war, steht noch der Arbeitsalltag im Vordergrund: Forschungsprojekte, Verwaltung, die Betreuung zahlreicher Bildungsportale. Bis im Oktober die Umzugsfirma kommt, bleibt den meisten von ihnen noch eine ganze Menge Vorbereitungszeit.
Im Gegensatz zu all jenen, die ihren Arbeitsalltag im Erdgeschoss des DIPF zwischen Abertausenden Büchern verbringen, die zudem noch auf etliche Lagerräume im Keller verteilt sind. Ein Labyrinth aus Büchern, aufgestellt in einer festen Sortierung, die seit Gründung des DIPF – und damit auch der FFB sowie der Frankfurter Lehrerbücherei (FLB) – beständig gewachsen und den langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vertraut ist. Die Umzugsvorbereitungen dauern hier bereits einige Jahre und begannen genau bei dieser Sortierung.
Zeit zum Umdenken
„Natürlich muss man seine Systematik nach einer so langen Zeit hinterfragen“, erläutert Bibliotheksleiter Dr. Simon Rettelbach, „zumal wir bis dato nach einem System – der Universellen Dezimalklassifizierung (UDK) – gearbeitet haben, das in deutscher Sprache seit den 1970er Jahren nicht mehr erweitert worden ist. Für uns bedeutete das, dass wir immer häufiger kreativ werden und uns mühsam mit eigenen Systemstellen selbst behelfen mussten. Das galt besonders für Themen wie Medienpädagogik oder Digitalisierung, an die damals noch gar nicht zu denken war, oder Sonderpädagogik, die heute einen ganz anderen Stellenwert hat.“ Die Entscheidung, den Umzug zu nutzen, die Bestände nach der moderneren DDC-Klassifizierung neu zu systematisieren, fiel deshalb praktisch mit der Grundsteinlegung des DIPF-Neubaus. „Dadurch ergab sich die Gelegenheit, sich intensiv mit der Umsortierung zu beschäftigen und Zehntausende Bände über einen längeren Zeitraum für den Umzug vorzubereiten“, so Rettelbach.

Dabei geht es am Ende um mehr Regalmeter Bücher, als diese an Weg in ihre neue Heimstatt zurücklegen müssen. Knapp vier Kilometer, um genau zu sein. Auf diese Länge der aneinandergereihten Publikationen sind die Beschäftigten der FFB mit Unterstützung einer auf Bibliotheksumzüge spezialisierten Firma beim Nachmessen gekommen. Fast der komplette Bestand wandert Regalboden für Regalboden in den nur etwas über drei Kilometer entfernten Neubau im Westend – in speziell für solche Fälle vorgesehenen Schränken auf Rollen. Natürlich wurde vorher auch „ausgemistet“: Entsorgt wurden vor allem Zeitschriftenbände, die inzwischen auch digital frei zur Verfügung stehen. Grund dafür ist jedoch mehr eine Vereinfachung des Bestands, als der Platzbedarf. Denn laut Berechnung von Simon Rettelbach und seinem Team sollte die Sammlung in den neuen Wänden erstmal einige Jahrzehnte lang wachsen können, bevor das Wort Platzmangel wieder ein Thema wird. Dafür sorgt allein eine riesige Kompaktanlage mit Rollregalen für Zehntausende Bücher im Magazinbestand im Untergeschoss.
Neues Raumkonzept
„Der größte Unterschied zwischen den bisherigen Räumlichkeiten und den neuen“, sagt Rettelbach, „ist die Tatsache, dass im Neubau ganz konkret Raum für die Bücherregale und die Präsentationsflächen der Bibliothek geplant worden sind.“ Darum habe die Bibliothek auch bereits im Architektenwettbewerb für den Neubau eine entscheidende Rolle gespielt. In der Schloßstraße hingegen – einem Gebäude, was vor dem Einzug des DIPF als Schule gedient hatte – war der Bestand auf über ein Dutzend Räume in Keller und Erdgeschoss sowie die ehemalige Aula verteilt. Weder Luftfeuchtigkeit noch Temperatur konnten hier optimal für die Bücher reguliert werden. „Man lernt, aus so einer Situation das Beste zu machen. Aber die Voraussetzungen am neuen Standort sind dennoch viel besser“, so Rettelbach.

Dazu tragen in den neuen Bibliotheksräumen auch moderne Arbeitsplätze, Bereiche zum stillen Zurückziehen (Loungebereich) sowie zum Austausch (Gesprächsräume für Kleingruppen sowie ein kommunikativer Lesebereich) bei. Zusätzlich zur Ausleihtheke wurde eine separate Theke eingerichtet, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Forschungsberatung – etwa bei Fragen in den Bereichen Open Access, Forschungsdaten oder Recherche – zur Verfügung stehen. Eine weitere wichtige Neuerung ist die in die Bibliothek integrierte Testothek, ein Raum, wo psychologische Tests und Förderprogramme im Mittelpunkt stehen. Hier können Nutzerinnen und Nutzer, die ein wissenschaftliches Interesse an diesem Bereich haben, in einer sehr umfangreichen Sammlung an Testkoffern und Fragebögen-Materialien stöbern.
Dass die Bibliothek inzwischen im DIPF-Neubau angekommen ist und ein ganz neues Besuchergefühl schafft, dafür ist das elfköpfige FFB-Team verantwortlich. „Was über die letzten Jahre geschafft worden ist, ist für die Größe unseres Teams wirklich beachtlich“, lobt Rettelbach die Kolleginnen und Kollegen. Sie haben letztlich dafür gesorgt, dass alles an seinem rechten Platz ist und so eingerichtet wurde, dass der Bibliotheksbereich nicht nur funktioniert, sondern auch eine Atmosphäre zum Wohlfühlen bietet.
Das gilt nicht nur für die Besucherinnen und Besucher der Bibliothek, sondern auch für das Bibliotheksteam, das sich nach den ersten Monaten der Eingewöhnung schon gut in den neuen Räumen zurechtfindet. „Wir merken ganz klar, dass die Räume von Anfang an als Bibliothek konzipiert wurden, die Konditionen einfach ganz andere sind – für die Bücher, genau wie für diejenigen, die täglich mit ihnen zu tun haben“, erzählt Juliane Eichenberg, die vor allem im Servicebereich im Erdgeschoss im Einsatz ist, mit Kolleginnen und Kollegen die Ausleihe betreut, Fragen beantwortet und Medien für den Bibliotheksbestand erwirbt. Während einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Büros außerhalb des Trakts mit dem auffällig orangefarbenen Teppichboden bezogen haben, ist die Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste immer mittendrin, bekommt die Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer direkt aus erster Hand mit.
Ein Ort für Forschung und Recherche
Der Bestand der FFB umfasst pädagogische Fachliteratur, die nicht nur den Forschenden an den DIPF-Standorten in Frankfurt und Berlin zur Verfügung steht, sondern auch Pädagogik-, Psychologie- und Soziologiestudierenden, die über die Bibliotheken der Goethe-Universität hinaus, einen Raum für Recherchen und Forschung benötigen. Die Frankfurter Lehrerbücherei richtet sich mit ihren Medien zu allen wichtigen Themen des Schulalltags an Lehrkräfte, Referendarinnen und Referendare sowie Lehramtsstudierende. Dass all diese Zielgruppen das DIPF als lebendigen und offenen Ort annehmen, ist nun das nächste wichtige Ziel nach dem Umzug.
„Das Feedback, das wir in unserer alltäglichen Arbeit auf die neuen Räume bekommen, ist bislang eigentlich ausschließlich positiv“, freut sich Eichenberg und betont, dass sich der Standortbonus schon binnen kürzester Zeit gezeigt hat. „Wir merken ganz klar, dass wir hier Teil des Universitätscampus sind. Die ersten Studierenden haben uns sehr schnell gefunden, nach den ersten Medienberichten in der FAZ und der Frankfurter Rundschau wurden es dann nach und nach mehr“, erinnert sie sich. Bald wird die FFB auch auf der überarbeiteten Übersichtskarte des Campus zu finden sein und dann sicher noch mehr Studierende anlocken.
Dass sich die FFB und damit auch das DIPF bald in den Campus integrieren, das ist nicht nur für Rettelbach ein wichtiges Ziel für 2019: „Wir sehen unsere Aufgabe als Bibliothek unter anderem auch ganz klar darin, ein physischer Ort des Transfers zu sein. Das ist ein Stichwort, das in der Arbeit am gesamten DIPF eine zentrale Rolle spielt. Das gilt es zu leben. Wenn dieser Plan aufgeht, sorgt die Entwicklung schließlich von ganz alleine dafür, dass das DIPF ein ganz natürlicher Bestandteil des Campuslebens wird.“
Die Frankfurter Forschungsbibliothek sowie die Frankfurter Lehrerbücherei finden Sie seit dem Umzug in der Rostocker Straße 6 auf dem Campus Westend. Geöffnet ist die Bibliothek von Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 und Freitag von 9 bis 15.30 Uhr.
Dr. Simon Rettelbach ist Leiter der Frankfurter Forschungsbibliothek. Sie ist die Institutsbibliothek des DIPF und für die wissenschaftliche Literatur- und Informationsversorgung der Beschäftigten verantwortlich, zugleich steht sie als eine der größten pädagogischen Spezialbibliotheken im deutschsprachigen Raum auch externen Nutzerinnen und Nutzern offen. Kontakt: rettelbach@dipf.de
Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Sandra Kathe für DIPF.