Im Wikiversum wirken

Wikipedia verweist an vielen Stellen auf wissenschaftliche Publikationen und bildungshistorische Quellen, die vom DIPF digital zur Verfügung gestellt werden. Sie dienen als fundierte Belege für die in der Online-Enzyklopädie aufbereiteten Informationen. Lars Müller und Annett Krefft von der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF beschreiben, wie das Institut noch aktiver zu diesem Wissenstransfer beitragen möchte und worauf es dabei ankommt.

Von Lars Müller und Annett Krefft

Anna Schönborn (1880–1957) engagierte sich Zeit ihres Lebens für die Frauen- und Mädchenbildung. Sie war unter anderem 1926 Mitbegründerin des Deutschen Akademikerinnenbundes und in verschiedenen Funktionen in akademischen Frauenverbänden aktiv. Diese Informationen stammen aus Wikipedia, wie man durch einen Klick auf den Link leicht ersehen kann. Die Online-Enzyklopädie ist vermutlich allen Leserinnen und Lesern bekannt, hält sie sich doch seit Jahren als eine der zehn meistbesuchten Websites weltweit. Doch immer wieder wird auch Kritik an ihr laut, denn es gibt keine zentrale Instanz, die für die Richtigkeit des enthaltenen Wissens bürgt. Nichtsdestotrotz dürfte Einigkeit darüber herrschen: An der Wikipedia führt kaum ein Weg vorbei, wenn man sich zu einem beliebigen Thema einen schnellen Überblick verschaffen möchte.

Wikipedia und die Online-Angebote des DIPF

Die große Bedeutung von Wikipedia spiegelt sich auch in den Nutzungszahlen von Online-Angeboten unseres Instituts wieder. Das zeigt zum Beispiel die Grafik zur Herkunft von Zugriffen auf die Archivdatenbank der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des DIPF.

BBF_Wikiversum_Grafik

Woran das liegt, lässt sich gut am oben erwähnten Beispiel erläutern. So wird im Wikipedia-Artikel zu Anna Schönborn unter anderem auf die im BBF-Archiv verwahrten Personalunterlagen zu ihrer Person verlinkt. Diese sind über besagte Archivdatenbank frei im Netz verfügbar und enthalten zahlreiche Angaben zu ihrer Bildungs- und Berufsbiografie. Neben diesen Dokumenten stehen noch etwa 250.000 weitere Personalunterlagen der preußischen Schulverwaltung online zur Verfügung.

Da wir uns als Forschungsinstitut beziehungsweise Forschungsbibliothek an wissenschaftliche Standards halten (zum Beispiel sichern wir zu, dass die Digitalisate dauerhaft unter einer eindeutigen und stabilen Internetadresse verfügbar bleiben, wodurch sie in wissenschaftlichen Publikationen zitierfähig sind), genießen unsere Online-Angebote ein hohes Vertrauen. Sie können dazu beitragen, Zweifel an der Korrektheit von Angaben in Wikipedia-Artikeln durch Quellenbelege auszuräumen. Auf diesem Weg helfen wir also, gesichertes Wissen zu verbreiten. Daher schätzen wir die hohen Zugriffszahlen aus der Online-Enzyklopädie sehr. Es ist jedoch nicht allein die Quantität der Zugriffe und damit das Finden der von uns bereitgestellten Inhalte, die wir so hoch bewerten. Denn Zugriffe aus Wikipedia bedeuten auch, dass die von uns mit viel Aufwand bereitgestellten Quellen verwendet wurden – dass sie zur Kenntnis genommen, ausgewertet und als Beleg angeführt wurden.

„Unsere Online-Angebote können dazu beitragen, Zweifel an der Korrektheit von Angaben in Wikipedia-Artikeln durch Quellenbelege auszuräumen.“

Was wir hier für die Archivdatenbank beschrieben haben, gilt auch für andere Online-Angebote des DIPF: In dem Open-Access-Server für die Bildungswissenschaften peDOCS stehen mehr als 10.000 aktuelle wissenschaftliche Publikationen, die sich auf pädagogische Fragen beziehen, im Volltext zur Verfügung. Scripta Paedagogica Online (SPO) ist ein Portal mit digitalisierten historischen Dokumenten für die pädagogische Forschung und enthält mehr als 8.500 Werke, die vom 16. bis zum 20. Jahrhundert erschienen sind. In Pictura Paedagogica Online (PPO), der Bilddatenbank zur visuellen Bildungsgeschichte, finden sich rund 80.000 erschlossene und digitalisierte Abbildungen.

Workshop zu den Möglichkeiten auf den Wikimedia-Plattformen

Alle Angebote werden zusammen an mindestens 500 Stellen aus der Wikipedia verlinkt. Angesichts der Fülle an Dokumenten, die vom DIPF bereitgestellt werden, besteht jedoch noch Luft nach oben. Wir wollen daher unsere Präsenz in Wikipedia ausbauen und als Leibniz-Institut auch an dieser Stelle über die Forschungscommunity hinaus in andere gesellschaftliche Bereiche hineinwirken. Hierfür haben wir den Workshop „Im Wikiversum wirken“ angestoßen, der aus einem internen Wettbewerb für Transferkonzepte hervorgegangen ist. Der Workshop wurde Ende vergangenen Jahres durchgeführt.

„Wir wollen unsere Präsenz in Wikipedia ausbauen und als Leibniz-Institut auch an dieser Stelle über die Forschungscommunity hinaus in andere gesellschaftliche Bereiche hineinwirken.“

Ziel der Veranstaltung war es, nicht nur nach Möglichkeiten zu suchen, wie sich unsere Angebote in Wikipedia leichter und häufiger nutzen lassen, sondern auch das Potenzial weiterer Plattformen der Wikimedia-Familie auszuloten. Kilian Kluge vom wiki:team, der als Experte den Workshop leitete, gab uns vertiefte Einblicke in die Organisationsstruktur, die Qualitätssicherungsmechanismen und die Etikette, die für Institutionen bei der Mitwirkung an Wikipedia gelten.

Zunächst mussten wir lernen, dass sich Wikipedia als Tertiärquelle versteht. Das heißt, dass sie sich in erster Linie auf Sekundärquellen als Belege bezieht, also auf aufbereitetes Wissen, wie sie zum Beispiel wissenschaftliche Handbücher oder Aufsätze darstellen – und weniger auf Primärquellen, was zum Beispiel historische Briefe oder Verwaltungsunterlagen sind. Das war zunächst ein Dämpfer, gerade für uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BBF, die zahlreiche Primärquellen im Netz bereitstellt.

Aber zum einen verbreitet das DIPF insbesondere auf peDOCS durchaus Sekundärquellen, zum anderen hat sich dann gezeigt, dass es doch einige Möglichkeiten gibt, auch unsere Primärquellen in Wikipedia-Artikel einzubinden. So werden sie von der Wikipedia-Gemeinde von Fall zu Fall als Belege akzeptiert, sie können aber etwa auch als „Weblinks“ zu weiterführenden Informationen oder als Literaturnachweise angeführt werden. Das haben wir sofort ausprobiert. Da die Bearbeitungen noch einer Prüfung unterzogen wurden, waren die Änderungen nicht sofort im Hauptartikel sichtbar und einiges wurde umgehend durch andere Wikipedianerinnen und Wikipedianer zurückgewiesen (die Qualitätsprüfung funktioniert also). Aber inzwischen sind viele Ergänzungen von uns in die Enzyklopädie eingeflossen.

Ein Zwischenstand

Klar ist: Wikipedia sollte nicht als undifferenzierte Linkablage missbraucht werden. Und Beiträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über die eigene Institution oder das eigene Forschungsgebiet werden von den Wikipedianerinnen und Wikipedianern eher kritisch gesehen, weil in ihren Augen die Distanz für einen neutralen Standpunkt fehlt. Behält man das als Prämisse im Hinterkopf, gibt es aber genug Themen, wo wir mit unserem Spezialwissen zur Wikipedia beitragen können. Und nicht zuletzt können wir Links auf unsere Angebote prüfen und gegebenenfalls korrigieren. Das ist immer willkommen, denn es dient der Qualität der Wikipedia-Artikel – und unseren Zugriffszahlen.

 

Müller

 

Lars Müller arbeitet als wissenschaftlicher Bibliothekar an der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des DIPF. Er verfügt über einen Master in Bibliotheks- und Informationswissenschaft sowie in europäischer Ethnologie und Geschichte und ist an der BBF für die Weiterentwicklung von Digital-Humanities-Angeboten zuständig.

 

Krefft

 

Annett Krefft ist als Archivarin an der BBF tätig. Sie hat ihren Bachelor Archiv am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam gemacht und ist an der BBF nun in verschiedene Erschließungsarbeiten involviert.

 

 

 

 

Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name der Urheberinnen und Urheber soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Lars Müller und Annett Krefft für DIPF.