Die vielen Facetten von „Open Science“

Der Begriff „Open Science“ beschreibt eine Öffnung der Wissenschaft mit den Mitteln der Digitalisierung. Damit sind zahlreiche Möglichkeiten verbunden: Das gemeinschaftliche wissenschaftliche Arbeiten und die Beteiligung an Forschung sollen sich verbessern, Ergebnisse möglichst frei zugänglich und nachnutzbar vorliegen, die Abläufe transparenter und überprüfbarer werden. Expertinnen und Experten des DIPF erläutern, welcher Nutzen sich dadurch im Einzelnen ergibt und an welchen Stellen das Institut dazu beiträgt.

Unter „Open Science“ fallen unterschiedliche Entwicklungen und Initiativen. Es geht unter anderem um einen freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen (Stichwort: Open Access), einen freien Zugang und eine freie Weiterverwendung von Forschungsdaten (Open Data), um Software, deren Quellcode man frei nutzen und verändern kann (Open Source), um Bildungsmaterialien, die man ebenfalls frei nutzen und verändern kann (Open Educational Resources), sowie um eine stärkere Einbindung weiterer gesellschaftlicher Gruppen in die Wissenschaft (Citizen Science). Zu diesen Themenfeldern haben wir unseren Fachleuten jeweils zwei Fragen gestellt:

1. Mal kurz auf den Punkt gebracht: Welcher Mehrwert ist hiermit verbunden?

2. Können Sie einmal anhand eines markanten Beispiels erläutern, wie sich das DIPF in diesem Bereich engagiert?

Das haben sie uns geantwortet:

Open Access

Dr. Christoph Schindler, Leiter des Arbeitsbereichs „Literaturinformationssysteme“ am DIPF:Schindler_Web

1. Open Access zielt auf den freien Zugang zu wissenschaftlichem Wissen und die Reduzierung von Bezahlschranken und Nutzungsbarrieren, wenn es darum geht, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verbreiten. Damit sind Mehrwerte in unterschiedlichen Bereichen verbunden. Die Wissenschaft erhofft sich insbesondere, dass Erkenntnisse direkt verfügbar sind, sie schnell und transparent verbreitet werden können – es geht also letztendlich um eine bessere Sichtbarkeit. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive ist mit Open Access die Forderung verbunden, dass staatlich geförderte wissenschaftliche Ergebnisse auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Die Idee ist, auf diesem Weg Anstöße für die Demokratisierung und für Innovationen zu geben.

2. In unserem Arbeitsbereich „Literaturinformationssysteme“ betreiben wir den zentralen fachlichen Open-Access-Server peDOCS. Er umfasst mehr als 13.000 Publikationen der Erziehungswissenschaft, Bildungsforschung und Fachdidaktik. Die wissenschaftlichen Publikationslandschaften und -praxen in diesen Fachgemeinschaften weisen andere Bedingungen für eine tragfähige Publikationsversorgung und -zirkulation auf, als die Fachkulturen in den MINT-Disziplinen, die den Diskurs rund um Open Access dominieren. Daher kooperiert peDOCS angesichts der großen Publikationsvielfalt in seinen Fächern aktuell mit rund 40 kleinen und mittelständischen Fachverlagen. Außerdem fördert das Angebot die Sichtbarkeit der Open-Access-Publikationen durch Erschließungsarbeiten, indem es die entsprechenden Literaturnachweise verbreitet – zum Beispiel in der FIS-Bildung Literaturdatenbank im Fachportal Pädagogik. Nicht zuletzt sichert peDOCS die langfristige Verfügbarkeit der Veröffentlichungen über die Deutsche Nationalbibliothek und engagiert sich für die finanzielle Förderung von Open Access, etwa im Rahmen des Publikationsfonds für Open-Access Monografien der Leibniz-Gemeinschaft. Diese Entwicklungen werden durch Studien und Publikationen für einen fachspezifischen Diskurs über Open Access sowie durch einen Austausch mit Fachgemeinschaften, Verlegern und anderen fachlichen Open-Access-Repositorien begleitet.

Open Data

Sonja Bayer, Koordinatorin des Verbunds Forschungsdaten Bildung:Bayer,Sonja_Web

1. Open Data erhöht die Sichtbarkeit der Forschungstätigkeit und sichert die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Forschungsergebnissen im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis – was auch positiv auf die Reputation der beteiligten Forschenden wirken kann. Zudem eröffnet das Teilen von Daten neue Forschungspotenziale, zum Beispiel durch Re-Analysen oder Kombinationen verschiedener Datenquellen.

2. Der von uns koordinierte Verbund Forschungsdaten Bildung, kurz VerbundFDB, ist der zentrale Ansprechpartner für Forschungsdaten und Forschungsdatenmanagement in der empirischen Bildungsforschung. Von Projekten bekommen wir häufig Anfragen zu rechtlichen Aspekten, wie der informierten Einwilligung oder der Datenweitergabe. Wichtig ist, dass solche Fragen schon bei der Projektplanung mitgedacht werden. Deshalb bieten wir Beratung zum Thema Forschungsdatenmanagement an und begleiten Projekte von Beginn an bis zur Speicherung und Verfügbarmachung der Daten. Über unsere Webseite „www.forschungsdaten-bildung.de“ besteht die Möglichkeit, das Infrastrukturangebot des VerbundFDB zu nutzen sowie Forschungsdaten und Instrumente langfristig zu speichern und zugänglich zu machen. Eine zentrale Suche hilft zudem, Daten und Instrumente der empirischen Bildungsforschung zu finden.

Open Source

Dr. Paul Libbrecht, Mitglied des Leitungsteams des Zentrums für technologiebasiertes Assessment (TBA):Libbrecht-Paul_Web

1. Wenn möglich, setzen wir Open-Source-Software systematisch ein. Sie ist langfristig verfügbar und reproduzierbar, außerdem lassen sich eigene Konfigurationen leicht verbreiten. Nicht zuletzt bedeutet Open Source, dass die Software von vielen Beteiligten überprüft wird und sie daher meist recht verlässlich und sicher läuft.

2. Unser Zentrum für technologiebasiertes Assessment nutzt immer wieder Open-Source-Komponenten in seinen Arbeiten. Unter anderen kam in einem von der EU finanzierten Projekt die MOOC-Plattform „OpenEdX“ zum Einsatz. Wir sollten zusätzliche Sprachen installieren. Dabei hat es sehr geholfen, dass wir uns über den Chatkanal „Slack“ mit anderen Personen austauschen konnten, die damit schon Erfahrung hatten. Mit den Tipps hat es dann geklappt. Ein paar Monate später wurden wir über LinkedIn von jemandem kontaktiert, der vor ähnlichen Schwierigkeiten stand. Dem konnten dann wiederum wir helfen. Hier zeigt sich, welchen Vorteil eine gut vernetzte Community und ein gemeinsamer Zugang zum Code mit sich bringen. Solche Erfahrungen machen wir häufiger.

Open Educational Resources (OER)

Luca Mollenhauer, beim Deutschen Bildungsserver verantwortlich für den Bereich „Digitale Bildung / digitale Infrastrukturen“ und Projektkoordinator der Informationsstelle OER:Mollenhauer-Luca_Web

1. OER stehen unter einer freien Lizenz. Sie können daher nachgenutzt, vervielfältigt und verändert werden, ohne den Urheber explizit um Erlaubnis fragen zu müssen. Urheberrechtlich ist man damit auf der sicheren Seite. Durch die Möglichkeit der Veränderung werden die Vielfalt und die Auswahlmöglichkeit der Materialien stark erweitert. Jeder kann freie Materialien erstellen, zu jedem beliebigen Thema kann ich welche finden. Und genau diese Auswahl ermöglicht mir vielfältige Zugänge zu einem Thema.

2. Seit November 2016 ist die Informationsstelle OER ein Angebot des DIPF, angesiedelt beim Deutschen Bildungsserver. Die Informationsstelle ist eine vom BMBF geförderte Plattform, die Informationen zu OER aus dem deutschsprachigen und internationalen Raum sammelt und aufbereitet. Als zentrale Informationsstruktur für OER in Deutschland ist sie die erste Anlaufstelle für Neulinge wie Expertinnen und Experten rund um das Thema. Sie trägt entscheidend dazu bei, offene Bildungsmaterialien bekannter zu machen. Dabei werden die neuen Angebote mit den bestehenden Aktivitäten des Deutschen Bildungsservers verknüpft, der zum Beispiel bereits seit 2007 die Bildungssuchmaschine ELIXIER betreibt, mit der sich OER finden lassen, oder gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen das Tool edutags entwickelt hat, mit dem sich Lernressourcen im Web speichern und teilen lassen.

Citizen Science

Dr. Stefanie Kollmann, Koordinatorin von Pictura Paedagogica Online, dem digitalen Archiv für bildungshistorische Bilder:kollmann_Web

1. Bei Citizen Science geht es darum, interessierte und oft sehr kundige Laien stärker in die Wissenschaft miteinzubeziehen. Auf diese Weise profitieren beide Seiten: Die Forschung erhält engagierte Unterstützerinnen und Unterstützer, die ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffnen. Und die Bürgerinnen und Bürger übernehmen eine aktive und oft sehr wertvolle Rolle in der wissenschaftlichen Arbeit, in die sie ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen einfließen lassen können. Insgesamt steckt dahinter der Ansatz, Wissenschaft stärker in der gesamten Gesellschaft zu verankern.

2. Wir haben vor Kurzem ein neues Wiki online gestellt, das unter dem Namen Interlinking Pictura sämtliche Texte und Abbildungen des wegweisenden Lehr- und Sachbuchs „Bilderbuch für Kinder“ von Friedrich Justin Bertuch, das von 1790 bis 1830 entstanden ist, online stellt. Das Buch sollte damals einen Überblick über das Wissen seiner Zeit geben – unter anderem mit insgesamt 1.180 aufwendig erstellten, handkolorierten Bildtafeln. In diese neue, offene Plattform können sich alle Interessierten gerne einbringen und zum Beispiel recherchieren und ergänzen, ob Bertuch ähnliche Abbildungen als Vorbild verwendet hat und welche späteren Darstellungen auf dem Bilderbuch aufbauen. So soll eine ganz neue Wissenswelt um das historische Werk entstehen.

Noch mehr Interesse an „Open Science and Education“? Unsere Kolleginnen und Kollegen vom bildungsserverBlog haben zu diesem Thema zahlreiche Beiträge veröffentlicht.

Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Philip Stirm für DIPF.