Seit mehreren Jahren besteht eine rege Zusammenarbeit zwischen dem DIPF und der Jacobs Foundation. Vor allem die Arbeitsbereiche von Prof. Dr. Florian Schmiedek und von Prof. Dr. Garvin Brod, die sich mit der Entwicklung des Lernens bei Kindern befassen, haben viele Schnittmengen mit den Zielen der Schweizer Stiftung. Im Januar 2021 ist die gemeinsame Webseite indilearn.de online gegangen. Sie informiert über aktuelle Forschungsprojekte rund um individualisiertes Lernen von Kindern.
Bei der 2017 ins Leben gerufenen strategischen Partnerschaft geht es unter anderem darum, welchen Einfluss Faktoren wie Schlaf, Stress oder Bewegung auf die kognitive Leistung und das emotionale Wohlbefinden von Kindern haben. Dafür werden per Smartphone-Befragung die individuellen Lernvoraussetzungen von Kindern erhoben. Diese Daten helfen besser zu verstehen, wie man Kinder passgenau fördern kann. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen in Online-Kurse und computerbasierte kognitive Trainings einfließen.
Über einen Zeitraum von sechs Jahren investiert die Stiftung insgesamt 1,1 Millionen Schweizer Franken (entspricht derzeit ca. 1 Million Euro) in die Arbeit am DIPF im Rahmen der Partnerschaft mit dem DIPF. Florian Schmiedek formuliert die Beweggründe für diese Kooperation so: „Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns in unserer Forschung mit der Frage, wie man allen Kindern helfen kann, ihr Potenzial voll auszuschöpfen – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Wohnort oder dem Einkommen ihrer Eltern. Das ist auch ein Ziel der Jacobs Foundation, und die Förderung durch die Stiftung hilft uns, diese Arbeiten zu vertiefen.“
Wie hängen die individuelle Stimmung und kognitive Fähigkeiten zusammen?
„Kinder haben sehr unterschiedliche Lernbedürfnisse“, ergänzt Dr. Andreas Neubauer. In dem ersten Projekt der gemeinsamen Zusammenarbeit, UPWIND (Understanding and Improving Daily Cognitive and Affective Within-Child Dynamics in the School Context), hat er herausgefunden, dass positive und negative Stimmungszustände durchaus mit kognitiver Leistung zusammenhängen, und zwar bei etwa der Hälfte der Kinder. Kompakt ausgedrückt könnten sich diese Zustände entweder positiv und aktivierend oder negativ und deaktivierend auswirken.
In der aktuell zweiten Projektphase von UPWIND geht das Team nun der Frage nach, inwiefern sich die Stimmung und kognitive Lernfähigkeit bei Schüler*innen verbessert, wenn sie beispielsweise ermuntert werden, sich körperlich zu bewegen oder an Entspannungsübungen teilzunehmen. Schmiedek: „Im Fokus des Projektes steht, wie unterschiedlich sich diese Effekte auf die verschiedenen Kinder auswirken. Zum Beispiel: Welche Kinder profitieren mehr – und wie können wir sie identifizieren? Und profitieren diese Kinder dann auch in besonderem Maße, wenn man in das Geschehen eingreift und das Verhalten mit gezielten Maßnahmen fördert?“
Die ideale Förderung für jedes einzelne Kind
Ein weiteres Kernelement der Jacobs-DIPF-Partnerschaft ist die Professur für „Psychologie mit dem Schwerpunkt individualisierte Förderung“, die seit 2018 am DIPF und an der Goethe-Universität Frankfurt angesiedelt ist. Garvin Brod, der diese Professur innehat, leitet den Arbeitsbereich „Individualisierte Förderung“ und ist Research Fellow der Stiftung.
Im Projekt PROMPT (Prozesse selbstregulierten Lernens optimieren mittels digitaler Prompting-Techniken) entwickeln er und sein Team Instrumente, die auf digitalen Lernplattformen das eigenständige Lernen von Kindern unterstützen. „Und zwar so, dass sie ideal auf das einzelne Kind abgestimmt sind“, betont Brod. „Selbstgesteuertes Lernen ist für die meisten Kinder entwicklungsbedingt nämlich eine große Herausforderung. Eine zentrale Rolle für dieses Projekt spielt eine Lernplanungs-App, die wir entwickeln.“ PROMPT wird vom Land Hessen im Rahmen des Distr@l-Förderprogramms gefördert. „Die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen später als Open Educational Ressource allen Bildungsinstitutionen frei zugänglich gemacht werden“, ergänzt Jasmin Breitwieser, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin von PROMPT: „Der Prototyp kann für neue Produkte genutzt werden oder dazu beitragen, bereits bestehende Anwendungen zu verbessern.“
Das Lernen bei Kindern verstehen
Im Projekt PREDICT wiederum hatte Brod erforscht, mit welchen Methoden Kinder beim Wissenserwerb unterstützt werden können. Als eine vielversprechende Methode gerade für jüngere Kinder stellte sich heraus, sie zu bitten, mögliche Ergebnisse vorherzusagen. Ein Vorteil solcher Vorhersagen ist es, dass sie es ermöglichen, auf individuelle Probleme von Kindern beim Aneignen und Verinnerlichen von Wissen einzugehen. Dies geschieht durch Lehrkräfte oder mittels digitaler Lernsysteme, die die Art der Instruktion und Hilfestellungen an den Wissenstand der Kinder anpassen.
Derzeit geht Brod der Frage nach, wie dieses Vorgehen im naturwissenschaftlichen Unterricht von Grundschüler*innen eingesetzt werden kann: „In einer noch unveröffentlichten Studie konnten wir zeigen, dass das Treffen von Vorhersagen Grundschulkindern hilft, physikalische Fehlvorstellungen zu korrigieren. Dies konnten wir unter anderem darauf zurückführen, dass die Kinder nach dem Treffen einer Vorhersage besonders überrascht waren, wenn ein physikalisches Experiment zu anderen Ergebnissen führt, als sie erwartet hatten.“ In dem Experiment wurden den Kindern Kugelpaare in unterschiedlichen Größen und aus verschiedenen Materialien präsentiert. Die Kinder sollten Vorhersagen darüber treffen, bei welcher der beiden Kugeln das Wasser höher ansteigt, wenn man sie unter Wasser drückt. Falsche Vorhersagen lösten Überraschung aus. „Gerade diese Überraschung hat vermutlich dazu geführt, dass sie ihre Vorstellungen kritisch hinterfragt haben“, so Brod weiter. In einem Folgeprojekt untersucht das Team außerdem, ob man die kritische Überprüfung der eigenen Vorstellungen nach einer falschen Vorhersage durch gezielte Fragen unterstützen kann.
Über Indilearn.de
Die nun auf indilearn.de vorgestellten Projekte befassen sich übergreifend mit der Frage, welche individuellen Voraussetzungen den Erfolg des Lernens bei Kindern bestimmen und wie diese maßgeschneidert gefördert werden können.
Das Onlineangebot richtet sich an Wissenschaftler*innen wie auch an Eltern und Vertreter*innen von Schulen. indilearn.de ergänzt die Institutswebsite dipf.de und bildet die Projekte und die Personen dahinter im Kontext der beiden Bereiche ausführlich ab. Sie soll zukünftig direkte Anlaufstelle für Forschende sein, die sich speziell diesem Thema widmen.
Autorin: Sabine Eyert-Kobler