(Bildungs-)Bericht aus Shanghai

Die Trends in unserem Bildungssystem beobachten nicht nur deutsche Medien und Bildungsforschende genau. An der Shanghai International Studies University (SISU) gibt es seit 2014 ein Informations- und Forschungszentrum, das Entwicklungen im deutschen Bildungssystem analysiert und in Zusammenarbeit mit dem DIPF für die chinesische Öffentlichkeit aufbereitet. Professor Dr. Hans-Peter Füssel, assoziierter Wissenschaftler am DIPF, war im Herbst 2017 dort. Wir haben nachgefragt, welche Themen in Shanghai gerade besonders unter die Lupe genommen werden.

Herr Füssel, Sie waren gerade am Informations- und Forschungszentrum für deutsche Wissenschafts- und Bildungspolitik der SISU zu Gast. Was genau passiert dort?

Das Zentrum verfolgt mit großer Sachkenntnis die Entwicklungen im deutschen Bildungssystem, bewertet diese und bereitet sie für das chinesische Publikum auf. So sind zum Beispiel in letzter Zeit die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends ebenso genau registriert worden wie die Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Ausbau der Ganztagsschulen in Deutschland. Besonders aufmerksam wurde aber die Bundestagswahl beobachtet. So hat das Zentrum beispielsweise wenige Tage vor der Wahl eine öffentliche Veranstaltung mit Vertretern von deutschen parteinahen Stiftungen organisiert, um sich ein besseres Bild machen zu können.

Und was führte Sie nach Fernost?

Ich war für insgesamt sieben Wochen im Rahmen eines Stipendiums hier, welches mir das Erziehungsministerium in Peking auf Antrag der SISU bewilligt hat. Im Rahmen dessen habe ich an der Germanistischen Fakultät der SISU ein Blockseminar für Masterstudierende zur deutschen Bildungspolitik abgehalten. Darüber hinaus fand mit den Kolleginnen und Kollegen der Fakultät ein reger und intensiver Austausch statt. Sprachliche Barrieren gibt es quasi keine, da diese durchgängig ein perfektes Deutsch sprechen. Ein Thema der Gespräche war die jetzige und zukünftige Arbeit des Informations- und Forschungszentrums, denn ich bin der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats dieses Zentrums. Mitglied des Beirats ist darüber hinaus übrigens Professorin Dr. Sabine Reh, die Direktorin der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung am DIPF.

Wie kam es zu der Kooperation des DIPF mit der SISU?

Die inzwischen enge Zusammenarbeit zwischen dem DIPF und der SISU geht ursprünglich auf eine Initiative des ehemaligen Gesandten an der Chinesischen Botschaft in Berlin, Herrn Dr. Jiang, zurück. Er interessierte sich für die Arbeit des DIPF, insbesondere für den Nationalen Bildungsbericht, der ja alle zwei Jahre unter Federführung des Instituts als umfassende Bestandsaufnahme des deutschen Bildungswesens entsteht. Auch der Historischen Bildungsforschung am DIPF galt sein Interesse. Nach seiner Rückkehr nach China wurde er Vorsitzender des Universitätsrates der SISU in Shanghai. Als solcher startete er die Initiative zur Gründung des Informations- und Forschungszentrums. Das DIPF war in der Gründungsphase beteiligt und hat im Rahmen der Kooperationsvereinbarung die Arbeit von Anbeginn unterstützt.

Wie sieht das konkret aus, woran wird in Shanghai aktuell gearbeitet?
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Nationale Bildungsberichte 2012 und 2014 auf Mandarin. Foto: DIPF

Zu den Projekten gehören die inzwischen ins Chinesische übersetzten Nationalen Bildungsberichte 2012 und 2014, denen weitere Übersetzungen folgen sollen.
Ferner unterstützen wir das Zentrum dabei, eine Buchreihe zu deutschen Bildungsklassikern herauszugeben: Ein erster Band über Wilhelm von Humboldt wird in nächster Zeit erscheinen. Überdies publizieren die Kolleginnen und Kollegen hier in Shanghai Beiträge in Fachzeitschriften, etwa zur dualen Ausbildung in Deutschland. Und schließlich entstehen an der SISU derzeit eine ganze Reihe von Dissertationen rund um das Thema Bildung in Deutschland, so zum Beispiel zum Chinabild in deutschen Schulbüchern. Den Doktorandinnen und Doktoranden stand ich während meiner Zeit hier gern zur Beratung zur Verfügung.

Vielen Dank!

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