„PISA ist ein lernendes System“

Drei Fragen an Sonja Bayer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF. Sie arbeitet im Zentrum für Internationale Bildungsvergleichsstudien an der Konzeption von Fragebögen für die PISA-Studie. Dabei beschäftigt sie sich unter anderem mit Methoden zur Erfassung des familiären Hintergrunds der getesteten Schülerinnen und Schüler und mit Auswirkungen der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft. Und sie weiß, dass es ganz schön schwierig ist, über Länder- und Kulturgrenzen hinweg zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen.

Was ist eigentlich ‚Bildung’ – und misst PISA Bildung?

Bayer: Häufig wird ja kritisiert, dass PISA allein Leistung misst und somit nur einen Aspekt von Bildung abbildet. Wer die Konzepte und Testaufgaben der Studie kennt, weiß aber, dass es hier um anwendungsbezogenes Wissen und Können geht, das einem im Alltag weiterhilft. Die PISA-Fragebögen des Jahres 2015, die wir am DIPF entwickelt haben, versuchen noch mehr zu messen – also ein größeres Konzept von Bildung abzubilden. Dabei ist es schwierig, Fragen so zu stellen, dass die Antworten wirklich international vergleichbar sind – chinesische Schüler beispielsweise antworten anders als deutsche.

Welche Bereiche sollen bei der kommenden Studie dazu kommen?

Im Probedurchgang haben wir beispielsweise Aspekte der Selbstregulation beim Lernen untersucht und Einstellungen gegenüber Technik und Naturwissenschaften. In diesem Vorlauf wurden alle Fragen auf Verständlichkeit und Aussagekraft getestet. Ein Teil wird jetzt tatsächlich bei PISA 2015 verwendet, andere waren leider für einen Einsatz über unterschiedliche Kulturen hinweg nicht geeignet. Neu aufgenommen werden auch Fragen zu Interaktion und sozialen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern – wie lösen sie zum Beispiel Probleme im Team? Schließlich werden emotionale und soziale Erziehungsziele wie das Wohlbefinden in der Schule und die allgemeinen Lebenszufriedenheit angesprochen.“

Was ist für Euch als Entwickler/-innen der Fragen die größte Herausforderung?

Die Fragen müssen über Länder- und Kulturgrenzen einheitlich sein, um wissenschaftlich vergleichbar zu bleiben. Ich bearbeite die Fragen zum familiären Hintergrund. Um etwas über den Bildungshintergrund der Familie zu erfahren, fragen wir unter anderem, wie viele Bücher in dem Haushalt vorhanden sind, in dem die Kinder aufwachsen. Natürlich unterliegen solche Indikatoren einem zeitlichen Wandel. Wir fragen beispielsweise auch alternativ nach E-Books – allerdings sind die in den verschiedenen Ländern unterschiedlich verbreitet. Eine andere Frage, die Aufschluss über das kulturelle Kapital des Elternhauses geben kann, ist die Frage zum Besuch von kulturellen Veranstaltungen – aber da fängt die Schwierigkeit wieder an: Was ist eine kulturelle Veranstaltung? Ein klassisches Konzert zum Beispiel – aber ob das in China genauso gilt, ist zweifelhaft. Wir arbeiten also ständig an Konzepten und deren Umsetzung. PISA ist ein lernendes System.

Die Grenzen einer internationalen Befragung wurden beispielsweise deutlich, als wir Aspekte von Gesundheit und Ernährung einbeziehen wollten, um die Lebenssituation von 15-Jährigen noch breiter zu erfassen. Fragt man in Deutschland oder einem anderen wohlhabenden Land danach, ob Obst und Gemüse oder Fastfood gegessen wird, kann das ein guter Indikator für gesunde Ernährung sein. In einem Entwicklungsland geht es vielleicht eher darum, ob überhaupt genug Nahrung zur Verfügung steht. Die Fragen zur Ernährung sind aufgrund der Schwierigkeit, ‚gute Ernährung’ einheitlich zu erfassen, wieder rausgenommen worden.

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